Positionen japanischer Architektur: Hiroaki Kimura

urbancity – mixed – unfinish – storage – near future – machine

Mit diesen Worten startete Hiroaki Kimura den vorletzten Vortrag in der Reihe „Positionen japanischer Architektur“ der AKöln. Zunächst als Wortcollage ihrem Zusammenhang entrückt, definieren die Begriffe den Ausgangspunkt seiner Arbeit und spiegeln konzeptprägende Gedankengänge wider, die in der Architektur Kimuras erkennbar sind. Mit „Steel Sheet Houses“, so das Thema des Vortrags, zeigte Hiroaki Kimura eine konsequent die Entwicklung des Materials weiterführende und mit Tradition vereinende Position in der japanischen Architektur.

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Die Beobachtung der japanischen Großstadt ist zum wiederholten Male Grundlage des Architekturverständnisses unserer Gäste, so auch bei Hiroaki Kimura. Die Großstadt Osaka steht dabei stellvertretend für viele asiatische Städte und ist entsprechend der japanischen Tradition stetiger Veränderung unterlegen. In ihrer Unfertigkeit und Uneinheitlichkeit entsteht eine chaotisch anmutende Collage aus Mensch, Stadt und Auto. Einzig das Automobil scheint als pures Objekt in seiner Ausgereiftheit verständlich zu sein und gibt Hiroaki Kimura den Anlass die Geschichte der Maschine zu untersuchen und die Entwicklung auf die Architektur zu übertragen.

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Die Grenze der Architektur erweiternd, bezeichnet Kimura das frühe Wasserrad als Architektur und Maschine verbindendes Objekt. An Bildern von alten Lokomotiven, Maschinen, Schiffen oder Flugzeugen verdeutlicht Kimura, dass die technische Maschine auch immer als architektonisches Objekt funktionierte. Nach der industriellen Revolution und den daraus resultierenden, neuen Bearbeitungsmöglichkeiten des Materials Stahl, entwickelte sich eine konstruktive Diskrepanz zwischen Maschine (Fahrzeugbau) und Architektur. Während sich die Stützen-Träger Konstruktion in der Architektur durchsetzte, arbeitete man im Fahrzeugbau mit monocoquen Strukturen, was bedeutet, dass die tragende Struktur aus einem Stück gefertigt ist. Erste Ansätze eines Rückbezuges zeigte die Moderne. Genannt seien das Metall-Typenhaus von Georg Muche und Richard Paulick, sowie das Dymaxion Haus von Richard Buckminster Fuller. Auch Le Corbusier übertrug die Funktionalität der Maschine auf seine Architektur.

Hiroaki Kimura reagiert fortführend auf diese Entwicklung. Die Potenziale des Stahlblechs nutzend, entwickelte er monocoque Konstruktionsweisen in der Architektur ohne die japanische Tradition auszuklammern.

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Sein Projekt „Steel Sheet Teahouse“ in Osaka macht dies besonders deutlich. In einem japanischen Garten liegend, befindet sich das Teehaus auf dem Grundstück eines ebenfalls von Kimura umgebauten Bauernhauses. Es gliedert sich in einen als Treffpunkt ausgelegten Außenraum und einen klaren, zwei Tatami-Matten großen Innenraum. Definiert werden die Räume hauptsächlich durch das die Funktionen umhüllende, gefaltete Dach aus Stahlblech. Der Übergang zwischen Innen und Außen wird so räumlich definiert und ähnlich einer Veranda in Verbindung zueinander gesetzt. Es entsteht ein moderner Raum zur Meditation, der stark im Bezug zur Natur und somit auch zum Wechsel der Jahreszeiten steht. Hiroaki Kimuras Teehaus reiht sich irgendwo zwischen industriell hergestelltem Produkt und Architektur ein. Der stark skulpturale Charakter bricht die Stärke des Materials. In zwei Teilen vorfabriziert, konnte das Gebäude einfach transportiert und auf dem Grundstück endgültig gefügt werden, sodass die Bauzeit vor Ort auf ein Minimum reduziert werden konnte und die bestehenden Bäume des Gartens unversehrt blieben.

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Das „3 in 1 Haus“ von 1995 gehört zu den frühen „steel sheet“ Häusern Kimuras. Die Verbindung der Materialien Beton und Stahl macht dabei die Vorteile der jeweiligen Konstruktionen deutlich. Die Teilung des Gebäudes in drei unabhängige Wohneinheiten bleibt in der Fassade unbeachtet. Während die Südost-Fassade komplett verglast und mit Austritten für die Bewohner versehen ist, bleibt die aus Stahlblech konstruierte Nordwest-Fassade fast vollständig geschlossen. Die alle drei Einheiten nördlich umschließende Stahlblechkonstruktion bietet den Bewohnern so privatere Bereiche. Dabei ist die Konstruktion so gekrümmt, dass der Schattenwurf weitestgehend aufgehoben wird und die nördlich angrenzenden Flächen gut belichtet bleiben.

Mit dem Projekt “Kobe Shinsei Baptist Church” verzichtet Hiroaki Kimura auf verkleidende Materialien und zeigt durch die Vereinfachung der Bestandteile die Konstruktionsstruktur in reiner Form. Auch hier wendet Kimura das Prinzip der monocoquen Bauweise an. Die aus Stahlblech gefaltete Urform eines Hauses wird über die transluzenten Enden aus Glasbausteinen belichtet. Die Reduktion des konstruktiv nicht Notwendigen unterstreicht die sakrale Atmosphäre des Raumes.

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Die monocoque Konstruktion ermöglicht eine freie Formsprache, einen hohen Grad an Vorfabrizierung und einen flexiblen, stützenfreien Innenraum. Alle diese Eigenschaften begünstigen einen großen Handlungsspielraum, um auf die Eigenständigkeit des Nutzers, des Ortes und der Funktion einzugehen. Hiroaki Kimura bezieht sich dabei stark auf die Formsprache des industriellen Objekts und lässt seine Architektur davon profitieren. Gleichzeitig macht er erneut deutlich, dass das japanische Verständnis für Raum und die traditionelle Art des Bauens trotz der individuellen Architektursprache stets omnipräsent ist.

Text: Anna-Laura Oldenburg
Bild: Yvonne Klasen